OLG Köln (Urt. v. 05.01.2017 – 15 U 121/16):
Das Oberlandesgericht entschied, dass einer Ärztin gegenüber einem Ärztebewertungsportal kein datenschutzrechtlicher Anspruch auf Löschung ihres Profils bzw. auf Unterlassung zusteht. Auch die Einblendung (zahlender) Konkurrenten sei rechtlich unbedenklich.
Gerichtlicher Leitsatz: Ärzte haben es grundsätzlich hinzunehmen, dass sie im Internet bewertet werden und dass eine Einblendung der Konkurrenten erfolgt.
1. Hintergrund der Entscheidung
Die Beklagte betreibt ein Ärztebewertungsportal, das monatlich von mehren Millionen Usern besucht wird. Die Betreiberin dieses Portals veröffentlicht ohne den Willen einer Fachärztin eine Profilseite, welches den Namen der Ärztin sowie die Anschrift, Telefonnummer und die Öffnungszeiten ihrer Arztpraxis enthält. Zudem werden auf dem Profil Bewertungen von vermeintlichen Patienten eingeblendet, die Benotungen und in Einzelfallen auch Fließtext enthalten. Vor der Benotung muss sich der Bewertende anmelden und bestätigen, dass tatsächlich eine Behandlung stattgefunden hat.
Aus den Einzelbewertungen wird – wie üblich- eine Gesamtnote errechnet, die auf dem Profil angezeigt wird. Darüber hinaus werden dem Internetnutzer weitere Ärzte aus demselben Fachbereich angezeigt, deren Praxis sich in der näheren Umgebung befindet. Die eingeblendeten Ärzte hatten sich im Gegensatz zur Klägerin kostenpflichtig registriert. Bei der Anzeige weiterer Arztpraxen wird von dem Ärztebewertungsportal allerdings keine Sortierung nach Noten vorgenommen. Auch werden nicht nur solche „Konkurrenten“ eingeblendet, die eine bessere Benotung aufweisen. Anders als bei dem (nicht registrierten) Arztprofilen werden bei kostenpflichtig registrierten Ärzten, keine unmittelbaren Konkurrenten eingeblendet.
Die spätere Klägerin hatte sich zunächst außergerichtlich an das Ärztebewertungsportal gewandt, um zahlreiche Negativbewertungen vermeintlicher Patienten löschen zu lassen. Der Löschaufforderung ist das Bewertungsportal nach Durchlaufen einer internen Prüfung auch nachgekommen. Vor der Löschung der Negativbewertungen hatte die Ärztin eine Durchschnittsnote von 4,7 danach von 1,5.
Darüberhinaus forderte die Ärztin das Bewertungsportal auf, ihr Profil zu löschen und ihr die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu erstatten.
Das Landgericht Köln (28 O 7/16) hatte eine entsprechende Klage der Ärztin auf Löschung ihres Profils, Unterlassung und Kostenerstattung bereits in erster Instanz abgewiesen.
Das Oberlandesgericht bestätigte nun, dass sowohl die einwilligungslose Wiedergabe des Profils der Ärztin als auch die eingeblendete Werbung der Konkurrenten aus datenschutzrechtlicher, wettbewerbsrechtlicher und persönlichkeitsrechtlicher Sicht zulässig sind.
2. Zur Entscheidung des OLG Köln
In seiner äußerst ausführlichen Entscheidung urteilte der Senat, dass der Ärztin weder ein Anspruch auf Löschung ihrer in dem Profil wiedergegeben personenbezogenen Daten noch auf Unterlassung der Veröffentlichung ihres Profils zusteht.
In die Entscheidung flossen datenschutzrechtliche, wettbewerbsrechtliche und persönlichkeitsrechtliche Erwägungen ein.
Speicherung der personenbezogenen Daten sowohl nach § 28 BDSG als auch nach § 29 BDSG zulässig
„Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass bei dieser Abwägung die Interessen der Klägerin am Ausschluss der Speicherung der streitgegenständlichen Daten (auch) im vorliegenden Fall die Interessen der Beklagten (und der Nutzer) am Betrieb des Portals und der damit verbundenen Datenspeicherung nicht überwiegen.
Das Landgericht hat hierbei zu Recht auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der K I – Entscheidung und die dortige Interessenabwägung zu § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG verwiesen. Danach wiegt die Beeinträchtigung der berechtigten Interessen eines Arztes durch die Erhebung, Speicherung und Übermittlung personenbezogener Daten im Rahmen eines Arztsuche- und Arztbewertungsportals nicht schwerer als das Recht des Portalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit, so dass dem betroffenen Arzt weder ein Löschungsanspruch nach § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, § 29 BDSG noch ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Daten nach § 823 Abs. 2, § 1004 BGB analog i.V.m. § 4 Abs. 1 BDSG zusteht (vgl. BGH, a.a.O.).“
Das Oberlandesgericht sah dabei auch in Anbetracht der von der Klägerin zahlreich aufgeführten Argumente keinen Anlass zu einer abweichenden Gewichtung.
Mögliche Anonymität der Bewertenden und damit verbundene Missbrauchsgefahr
Das Oberlandesgericht verweist unter Bezugnahme auf die vorzitierte Entscheidung des BGH darauf, dass die Möglichkeit, Bewertungen auch anonym abgegeben zu können, gerade im Fall eines Ärztebewertungsportals in Anbetracht der häufig betroffenen sensiblen Daten ein besonderes Gewicht zukomme.
Auch den vorgebrachten Einwand, dass in dem Bewertungsportal eine durchgehende Bewertung mit der Note 6 möglich ist, ließ der Senat nicht gelten. Auch eine durchgehend einheitlich (schlechte) Bewertung könne auf einer subjektiven Bewertung einer tatsächlich erfolgten ärztlichen Behandlung beruhen.
Zum Argument: Kein seriöser Nutzwert wegen massenhaft einseitig diffamierender oder falscher Tatsachenbehauptungen
Hier fehlte es nach Ansicht des Senats bereits an einer substantiierten Darlegung.
Mit dem Landgericht war der Senat der Ansicht, dass keine der konkret aufgeführten 18 Bewertungen über die Klägerin als Schmähkritik anzusehen sei,
„weil sie jeweils durch eine konkrete, teils sogar umfangreiche Beschreibung des Behandlungsverlaufs bzw. des Verhaltens der Klägerin während der Behandlung einen hinreichenden Sachbezug der Kritik aufweisen und eine persönliche Herabwürdigung der Klägerin nicht im Vordergrund steht.“
Auch habe die Beklagte plausibel darlegen können, weshalb sich das Ärztebewertungsportal zur Löschung entschlossen habe. Daneben verwies der Senat auf den Umstand, dass sich die Bewertungen auf einen Zeitraum von 5 ½ Jahren erstreckten, so dass nicht auf massenhaft fingierte Bewertungen geschlossen werden könne.
Die Klägerin meinte, dem Bewertungsportal sei bereits deswegen ein relevanter Nutzwert abzusprechen, weil die Nutzer die Einblendung der (bezahlten) Konkurrentenprofile fälschlich als Empfehlung des Protalbetreibers missverstehen und damit in die Irre geführt werden könnten. Dieser Argumentation folgte der Senat, wie schon das Landgericht ebenfalls nicht.
Nach Auffassung des Senats führt auch die Einblendung der konkurrierenden (zahlenden) Ärzte nicht zu einer anderen Bewertung.
„Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass bereits die optische Gestaltung der Einblendungen für den Durchschnittsrezipienten und den durchschnittlichen Verbraucher, an den sich das Portal richtet, in ausreichender Art und Weise deutlich macht, dass es sich hierbei um eigene Werbung dieser Ärzte handelt….“
„Deutlich gegen den Eindruck einer Empfehlung durch die Beklagte spricht außerdem, dass die Einblendungen der anderen Ärzte weder nach ihrer Gesamtnote noch nach ihrer Entfernung zur Praxis der Klägerin sortiert werden. Insbesondere werden (…) auch Konkurrenten dargestellt, die eine schlechtere Gesamtnote als die Klägerin aufweisen. Bereits deshalb kann der Durchschnittsrezipient von vornherein auch nicht annehmen, die Beklagte wolle mit diesen Einblendungen in irgendeiner Weise eine Empfehlung aussprechen.“
Stattdessen neigt der Senat sogar umgekehrt zu der Auffassung,
„dass der im öffentlichen Interesse liegende Nutzwert des Portals der Beklagten durch die Einblendung der – als solche erkennbaren – Werbeanzeigen konkurrierender Ärzte in der näheren Umgebung sogar erhöht wird, da dem Nutzer dadurch (ihm zuvor vielleicht noch nicht bekannte) Alternativen bei der Arztwahl aufgezeigt werden.“
auch der „Werbeaspekt“ in Form der Einblendung der Anzeigenprofile zahlender Kunden führt nicht zum einem Überwiegen der Interessen der Ärztin
Die Klägerin hatte argumentiert, sie werde durch die Einblendung zahlender Ärzte und den dadurch bewirkten „Umleitungseffekt“ unzulässiger Weise unter Druck gesetzt, ebenfalls einen kostenpflichtigen Vertrag mit dem Ärztebewertungsportal abzuschließen, um sich so von der Einblendung zahlender Kollegen „freizukaufen“. Auch dieser Argumentation ist der Senat nicht gefolgt.
Bei der Werbefunktion handle es sich weder um eine unzulässige Manipulation potentieller Patienten, noch um eine unzulässige Ungleichbehandlung zahlender und nichtzahlender Ärzte.
Nach ausführlicher wettbewerbsrechtlicher Prüfung stellte das Gericht fest, dass weder eine irreführende Werbung des Ärztebewertungsportals, noch eine gezielte Mitbewerberbehinderung vorliege. Auch eine aggressive geschäftliche Handlung oder eine unzulässige vergleichende Werbung läge nicht vor.
„Der damit allein verbleibende Umstand, dass die eingeblendeten Profile zahlender Ärzte werblich attraktiver ausgestaltet, mit Fotografien versehen sind und auf den Profilen der zahlenden Ärzte keine Konkurrenten eingeblendet werden, vermag für sich genommen keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Klägerin zu begründen.
Dass ein Mitbewerber bereit ist, für eine attraktivere Gestaltung seines Profils und Nichteinblendung von Konkurrenzangeboten ein Entgelt zu zahlen, ist aus Unlauterkeitsgesichtspunkten nicht anders zu beurteilen als die Schaltung von teureren, als solche erkennbaren Werbeanzeigen in anderen Presseerzeugnissen an herausgehobenen, gegebenenfalls singulär herausgestellten Stellen…“
Keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter dem Gesichtspunkt der „Zwangskommerzialisierung“
In der Verwendung eines Namens eines anderen zu Werbezwecken kann zwar ein Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht liegen. Für den vorliegenden Fall verneinte der Senat jedoch bereits die werbliche Vereinnahmung der persönlichen Daten durch das Bewertungsportal.
„ Die Werbefunktion der Beklagten bzw. deren Anknüpfung an die persönlichen Daten der Klägerin hat ersichtlich nicht den Zweck, einen Image- oder Werbewert der Klägerin auf die eingeblendeten anderen Ärzte zu übertragen, geschweige denn zum Ausdruck zu bringen, die Klägerin empfehle die eingeblendeten konkurrierenden Ärzte. Die persönlichen Daten der Klägerin werden auch nicht als Bestandteil der von der Beklagten eingeblendeten Werbung Dritter im Sinne eines Aufmerksamkeitsfaktors genutzt, sondern dienen allein als Anknüpfung dafür, möglichst einschlägig suchende Nutzer mit den eingeblendeten Konkurrenzangeboten anzusprechen.“
Jedenfalls Interessenabwägung zugunsten des Ärztebewertungsportals
Der Senat stellte ungeachtet dessen auch bezüglich des Werbeaspektes eine Interessenabwägung an.
Selbst wenn man vorliegend von einer werblichen Vereinnahmung ausginge, so wäre die darin liegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht rechtswidrig. Nach der anzustellender Interessenabwägung würde das Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Persönlichkeit hinter dem Interesse an der Schaltung der Werbeeinblendungen und dem damit verbunden Informationsinteresse der Nutzer des Portals zurückstehen.
Wenn überhaupt, würde es sich um die schwächste Form einer werblichen Vereinnahmung, der bloßen „Aufmerksamkeitswerbung“ handeln. Die Klägerin sei nur in ihrer Sozialsphäre betroffen und ein etwaiger Eingriff würde nur vermögenswerte Bestandteile ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts betreffen. Eine Beschädigung ihres (ideellen) Ansehens als Person sei damit nicht verbunden.
Das Ärztebewertungsportal sei durch einen etwaige Löschungspflicht der persönlichen Daten auch und gerade in der von ihr angebotenen kostenpflichtigen Werbefunktion beeinträchtigt und damit ebenfalls in ihrem Recht auf freie Berufsausübung betroffen.
Ob darüber hinaus das Recht auf Kommunikationsfreiheit tangiert ist, ließ der Senat im Ergebnis offen.
Nach Auffassung des Senats überwiegen die Interessen des Bewertungsportals und deren Nutzer am Betrieb des Portals und der damit verbundenen Datenspeicherung und Datennutzung. Dies unabhängig davon, ob man in die Interessenabwägung ausschließlich die Werbefunktion oder auch die Bewertungsfunktion einbezieht.
Sowohl die Bewertungsfunktion als auch die Werbefunktion seien unter datenschutzrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig und von der Klägerin hinzunehmen.
3. Fazit
Das Oberlandesgericht nimmt unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (23.9.2014 – VI ZR 358/13) eine grundsätzliche Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten des bewertenden Arztes durch ein Ärztebewertungsportal an.
Ärzte haben es grundsätzlich hinzunehmen, dass diese im Internet anonym bewertet werden.
Entscheidend ist dabei jedoch nach wie vor die konkrete Ausgestaltung des Bewertungsportals bzw. ob diese ihrerseits den gesetzlichen Bestimmungen genügt.
Der Aspekt der angebotenen kostenpflichtigen Werbefunktion ist hingegen neu und noch nicht höchstrichterlich entschieden. Das Oberlandesgericht hat im Hinblick auf die datenschutzrechtliche und persönlichkeitsrechtliche Bewertung der Werbefunktion die Revision zugelassen. Ob die Klägerin von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, war anlässlich der Abfassung des Beitrags nicht in Erfahrung zu bringen.
Zum Autor:
Rechtsanwalt Stephan Suchy ist Fachanwalt für Urheberrecht und Medienrecht in Dresden.
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