Das Landgericht Berlin hatte in einem vom Autor erwirkten Beschluss vom 07.03.2013 (27 O 496/12 ) darüber zu entscheiden, ob ein Schuldner seinen Gläubiger an den Internetpranger stellen darf. Dabei hatte sich das Gericht juristisch gesprochen mit der Frage zu befassen, ob die Veröffentlichung einer identifizierenden Berichterstattung einer Privatperson über einen in Deutschland ansässigen „säumigen Schuldner“ auf der Schweizer Homepage des „Gläubigers“ zulässig ist und ob hierüber ein deutsches Gericht zu befinden hat.

1. Was war geschehen ?

Ausgangspunkt dieser gerichtlichen Auseinandersetzung war eine zivilrechtliche Streitigkeit zwischen zwei Privatpersonen über die Rückzahlung eines Darlehens. Ein Schweizer nahm diese privatrechtliche Auseinandersetzung zum Anlass eigens für den „säumigen Darlehensschuldner“ einen Beitrag auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. Dort wurden sowohl ein Foto als auch die damalig bekannte Wohnanschrift und Telefonnummer der Öffentlichkeit preisgegeben. Der Wortbeitrag enthielt zudem unter anderem die Mitteilung, dass der Betroffene mit der Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von mehreren tausend Franken in Verzug sei und sich jedermann gut überlegen möge, ob man mit diesem Geschäfte machen möchte. Auch wurde jedermann davor gewarnt „auf Herrn (..)“ hereinzufallen. Eine Vorgehensweise die im Volksmund häufig als Internetpranger umschrieben wird.

2. Die Entscheidung des LG Berlin

2.1. (internationale) Zuständigkeit des angerufenen LG Berlin

In seinen Entscheidungsgründen stellte das Landgericht zunächst seine Zuständigkeit nach den Bestimmungen des revidierten Lugano-Übereinkommens fest. Hierzu wurde auf die Rechtsprechung des BGH und des EuGH zur gleichlautenden Bestimmung des Art. 5 Nr. EuGVVO wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen verwiesen. Das LG Berlin führte in seiner Entscheidung aus:

„Der Mittelpunkt der Interessen des Klägers befindet und befand sich offensichtlich schon, als der Beitrag ins Netz gestellt wurde, in Deutschland, als der Kläger vom Beklagten als „Deutscher Staatsangehöriger in (….) bezeichnet wurde. Hier in Deutschland wohnt der Kläger, hier ist er sozial und familiär eingebunden. Der Beitrag war nicht nur hier abrufbar, sondern es gab auch einen deutlichen Inlandbezug, war doch mit der Kenntnisnahme der beanstandeten Meldung des Beklagten in Deutschland zu rechnen, nachdem sich der „deutsche Staatsangehörige in (….)“ aus (der Schweiz) „abgesetzt“ hatte, sodass sogar von einer bestimmungsgemäßen Verbreitung in Deutschland auszugehen ist.“

2.2. Zur Rechtswidrigkeit der identifizierenden Berichterstattung 

Das Landgericht stellte zugunsten des Klägers fest, dass dieser durch die beanstandeten Äußerungen rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt ist und über den gegen den Kläger erhobenen Vorwurf, Darlehensverbindlichkeiten nicht zu erfüllen sowie die Warnung vor diesem, nicht wie auf der Internetseite des Beklagten geschehen identifizierend berichtet werden darf.

2.2.1. Einleitende Rechtsausführungen des Gerichts

Aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung folge ein Anspruch dagegen persönliche Lebenssachverhalte des Klägers zu offenbaren und seine Person insbesondere durch Identifizierung und Namensnennung verfügbar zu machen. Allerdings habe der Einzelne keine absolute, uneingeschränkte Herrschaft über „seine“ Daten; denn er entfalte seine Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft. Der Einzelne müsse grundsätzlich Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinnehmen, wenn und soweit solche Beschränkungen von hinreichenden Gründen des Gemeinwohls oder überwiegenden Rechtsinteressen Dritter getragen werden und bei einer Gesamtabwägung zwischen Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt werde.

Dass Landgericht führte weiter aus, dass Äußerungen aus dem Bereich der Sozialsphäre regelmäßig zulässig sind. Im Einzelfall könne jedoch auch die Äußerung einer wahren Tatsache mit Rücksicht auf die überwiegenden Persönlichkeitsbelange des Betroffenen zu untersagen sein. Dies komme vor allem dann in Betracht, wenn ein – nach Auffassung des Äußernden- beanstandungswürdiges Verhalten aus der Sozialsphäre einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werde und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen auswirke, d.h. die Behauptung ein schwerwiegendes Unwerturteil des Durchschnittspublikums nach sich ziehen könnte ( Prangerwirkung ) und die beanstandete Äußerung geeignet ist, eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen.

2.2.2.  “ Internetpranger  “ unzulässig

Das Landgericht führte auf den hiesigen Einzelfall bezogen weiter aus:

„Der streitgegenständliche „Steckbrief“ outet den Kläger als zahlungsunwilligen Schuldner, warnt vor ihm und stellt ihn im worldwideweb öffentlich an den Pranger. Dem Beklagten stand es wie jedem Gläubiger frei, gegen den Kläger den Rechtsweg zu beschreiten. Der streitgegenständliche Beitrag diente offensichtlich nicht der Ermittlung einer ladungsfähigen Anschrift, die durch Anfragen bei den Melderegistern zu beschaffen ist, sondern dazu, den säumigen Schuldner unter Druck zu setzen, es heißt dort : „Falls (…..) seine Schulden jemals begleichen sollte, wird diese Seite sofort gelöscht.“ Dass eine Melderegisteranfrage keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, hat der Beklagte, der wusste, dass der Kläger wieder nach Deutschland zurückgekehrt war und in (….) wohnte, nicht substantiiert dargetan. Ein aufsehenerregendes Fehlverhalten, was für eine breite Öffentlichkeit von Interesse sein könnte, ist nicht ersichtlich. Eine Warnung der Öffentlichkeit vor dem Kläger war mitnichten veranlasst.“

3. Fazit:

Bei bestimmungsgemäßer Abrufbarkeit in Deutschland können auch rechtsverletzende Veröffentlichungen auf ausländischen Internetseiten vor deutschen Gerichten geltend gemacht werden.

(Wahre) Berichterstattungen aus der Sozialsphäre sind zwar grundsätzlich zulässig, dürfen jedoch keine Prangerwirkung entfalten und zu keiner Stigmatisierung des (äußerungsrechtlich) Betroffenen führen.

Die Entscheidung liegt auf einer Linie mit weiteren gerichtlichen Internetpranger – Entscheidungen. Zu erwähnen sind hier bspw. das LG Koblenz, OLG Rostock (Schuldnerspiegel) sowie eine „prominente“ Entscheidung des LG Essen (Pornopranger).