In einem einstweiligen Verfügungsverfahren wies die für das Presserecht zuständige Kammer des LG Hamburg (Beschluss vom 11. Mai 2017 – 324 O 217/17) wenig überraschend einen EV- Antrag der AfD- Spitzenkandidatin gegen den Norddeutschen Rundfunk zurück. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

1. Hintergrund der Entscheidung:

Gegenstand des Verfahrens war ein Beitrag in der NDR- Satire Sendung Extra 3, in welchem der Moderator eine auf dem Parteitag getätigte Äußerung der neugewählten AfD- Spitzenkandidatin satirisch kommentiert hatte.

Diese hatte in einer im Anschluss an ihre Wahl gehaltenen Rede unter anderem die nachfolgenden Äußerungen zum Besten gegeben:

„ Es muss endlich Schluss damit sein, dass diejenigen, die auf die Missstände in unserem Land hinweisen, härter bekämpft werden als die Missstände selbst. Und wir werden uns als Demokraten und Patrioten trotz dessen nicht den Mund verbieten lassen. Denn die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte“

Diese Steilvorlage konnte sich das Satire-Magazin natürlich nicht entgehen lassen.

Nachdem die entsprechende Sequenz der Rede eingespielt wurde, kommentierte dies der Moderator wie folgt:

„Jawoll, Schluss mit der politischen Korrektheit! Lasst uns alle unkorrekt sein, da hat die Nazi-Schlampe doch recht. War das unkorrekt genug? Ich hoffe!“

2. Zur Entscheidung des LG Hamburg

Das Landgericht ging laut Pressemeldung im Rahmen der vorgenommenen Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und dem allgemeinem Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin unter Berücksichtigung der konkreten Präsentation und des Gesamtzusammenhangs, in den die Aussage gestellt wurde davon aus, dass es sich bei der Äußerung „Nazi-Schlampe“ um Satire handelt, die im Kontext der Äußerung von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Als Spitzenkandidatin der AfD stehe die Spitzenkandidatin im Blickpunkt der Öffentlichkeit und müsse auch überspitze Kritik hinnehmen.

Eine persönliche Diffamierung habe nicht im Vordergrund gestanden. In der Pressmitteilung heißt es hierzu wie folgt:

Einer Bewertung der Äußerung als unzulässige Formalbeleidigung steht es entgegen, wenn – wie hier – mit Bezug auf den Gegenstand der Satire eine Auseinandersetzung in der Sache erfolgt und nicht die persönliche Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht.

Die umstrittene Äußerung bezieht sich mit den Begriffen „Nazi“ und „Schlampe“ in klar erkennbarer satirischer Weise, d.h. durch typische Übertreibung, auf die aktuelle Forderung der Antragstellerin, die politische Korrektheit gehöre auf den Müllhaufen der Geschichte. In diesem Zusammenhang soll die besonders scharfe Wortwahl „Nazi-Schlampe“ als politisch – und auch sonst – nicht akzeptierte Formulierung zeigen, wohin die Forderung der Antragstellerin führen könnte.

Erkennbar geht es nicht darum, dass die Antragstellerin hinter dem Leitbild des Nationalsozialismus stehen würde oder sie Anlass für die Bezeichnung als „Schlampe“ gegeben hätte. Der Zuschauer begreift den Begriff „Nazi“ als grobe Übertreibung, die an die Wahl der Antragstellerin zur Spitzenkandidatin der AfD anknüpft, nimmt deswegen aber nicht an, dass die Antragstellerin Anhängerin der Nazi-Ideologie sei. Es kann dahinstehen, ob die Bezeichnung „Schlampe“ stets eine sexuelle Konnotation habe, wie die Antragstellerin vorträgt. Denn es ist erkennbar, dass die Bezeichnung „Schlampe“ in einem solch verstandenen Sinne keinen Wahrheitsgehalt beansprucht, sondern als Anknüpfung an deren Äußerung zur politischen Korrektheit nur gewählt wurde, weil die Antragstellerin eine Frau ist.

3. Fazit

Vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Entscheidung nicht nur wenig überraschend, sondern vollends zutreffend.

Im Presserecht / Äußerungsrecht gilt schließlich der Grundsatz, dass die Deutung des Aussagehalts einer beanstandeten Äußerung stets in dem Zusammenhang beurteilt werden muss, in welchem sie gefallen ist. Natürlich kann das Verwenden entsprechender Begrifflichkeiten in einem anderen Kontext, rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dies insbesondere dann, wenn eine derartige Äußerung selbst aus der Sicht des „Kritisierenden“ ohne jeglichen sachlichen Bezug und allein zur Beschimpfung und Beleidigung einer Person erfolgt ist. Dass dies angesichts der Äußerungen der AfD-Frontfrau vorliegend nicht der Fall ist, liegt auf der Hand. Diese hatte schließlich selbst propagiert, dass die politische Korrektheit auf den „Müllhaufen der Geschichte“ gehöre.

Die laut Pressemeldung bereits angekündigte Einlegung einer sofortigen Beschwerde dürfte keine Aussicht auf Erfolg haben.

 

Der Autor, Rechtsanwalt Stephan Suchy, ist Fachanwalt für Urheberrecht  und Medienrecht in Dresden.