LG Potsdam vom 5.11.2015 – 2 O 165/15

In einer vom Autor in vormaliger Beschäftigung erstrittenen Entscheidung stärkte die für das Urheberrecht zuständige Kammer des Landgerichts Potsdam das Haftungsprivileg der Presse. Hiernach unterliegen die Medien keiner umfassenden Prüfpflicht hinsichtlich etwaiger urheberrechtsverletzender Inhalte von Fremdanzeigen. Das Gericht wies die Klage eines Fotografen auf Unterlassung, Lizenzschadensersatz und Abmahnkostenerstattung ab.

Auf die Widerklage wurde der Kläger unter Anwendung Anwendung des § 97 a Abs. 4 UrhG * darüber hinaus verurteilt, den abgemahnten Verlag von den außergerichtlichen Kosten seiner Rechtsverteidigung freizustellen.

Das nachfolgend angerufene OLG Brandenburg (6 U 13/16 ) stützte die Auffassung des Landgerichts.

 

1. Was war geschehen ?

 

Der Kläger ist Fotograf und hatte im Auftrag eines Versicherungsbüros ein Lichtbild angefertigt, das die Mitarbeiter des Versicherungsbüros zeigt.

Die Beklagte, ein regionales Verlagsunternehmen, vertreibt ein kostenloses Wochenblatt, welches neben kurzen redaktionellen Beiträgen über lokale Ereignisse vornehmlich Fremdanzeigen abdruckt.

Das streitbehaftete Foto wurde von der Beklagten in ihrer Printausgabe im Zuge einer von dem Versicherungsbüro in Auftrag gegeben Umzugsanzeige abgedruckt sowie in der E-Paper Ausgabe veröffentlicht. Die seitens des Versicherungsbüros vor Veröffentlichung freigegebene Umzugsanzeige war von einem roten Rahmen umgeben. In dem unteren Teil der Umrahmung fand sich ein kurzer Hinweis der Beklagten auf ihr Dienstleistungsangebot zur Schaltung von Anzeigen.

 

Der Fotograf behauptete nun, der Verlag hätte das in Rede stehende Lichtbild nicht abdrucken dürfen, da er alleiniger Inhaber der Nutzungs- und Verwertungsrechte sei. Dem Versicherungsbüro habe er nur ein einfaches Nutzungsrecht zur eigenen Verwendung eingeräumt. Dies hätte der Verlag vor der Veröffentlichung prüfen müssen. Auch hätte sich der Verlag die Meta-Daten des Lichtbildes anschauen müssen.

Nach vorangegangener Abmahnung begehrte der Fotograf nunmehr gerichtlich Unterlassung, Lizenzschadensersatz sowie Ersatz der Abmahnkosten.

Das Landgericht Potsdam wies die Klage vollumfänglich ab und verurteilte den Fotografen stattdessen zur Zahlung der dem Verlag entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Gegen die Verurteilung zum Aufwendungsersatz legte der Fotograf Berufung ein und unterlag auch vor dem OLG Brandenburg.

 

2. Zur Entscheidung des LG Potsdam

 

2.1. Kein Unterlassungsanspruch, da keine Haftung des Verlages für etwaige Urheberrechtsverletzung in Fremdanzeigen

 

Hinsichtlich der fehlenden Unterlassungshaftung des beklagten Verlages führte das Landgericht aus wie folgt:

Keine umfassende Prüfpflicht der Medien bei Fremdanzeigen

 

Grundsätzlich ist passivlegitimiert, wer einen adäquat-kausale Beitrag für die Urheberrechtsverletzung geleistet hat, mithin wer eine nicht hinwegzudenkende Bedingung für den Verletzungserfolg gesetzt hat. Auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit kommt es hierfür nicht an. Damit können auch Dritte gegenüber dem Urheber haften, sofern sie sich nicht durch die Berufung auf herabgesetzte Prüfpflichten exkulpieren können (BGH GRUR 1999, 418, 420 –Möbelklassiker). Gerade bei Presseveröffentlichung gilt ein solch weit herabgesetzter Prüfumfang. Entgegen der grundsätzlichen Haftung von Verfasser eines Artikels und verantwortlichen Redakteur, unterliegen Presseorgane bei der Veröffentlichung von Anzeigen keiner umfassenden Prüfpflicht. Dort besteht nur eine Haftung, wenn Verstöße gegen das Urheberrecht unschwer zu erkennen waren.

 

Die Beklagte kann eine solche Haftungserleichterung in Anspruch nehmen. Vorliegend handelte es sich um eine Fremdanzeige die von einer Eigenanzeige umrahmt wurde, Hierfür gilt der herabgesetzte Prüfmaßstab, da die eigentliche Rechtsverletzung durch die Fremdanzeige erfolgte und Urheberrechtsverletzungen nicht unschwer zu erkennen waren.“

 

Nachforschungen unzumutbar, keine Prüfpflicht der Metadaten

 

„Der Beklagten war es auch nicht zumutbar (vgl. Meckel in Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 97 UrhG Rn.21), die Meta-Daten des Bildes zu prüfen oder sonstige Nachforschungen bzgl. der Nutzungsrechte anzustellen. Bei Presseunternehmen wird eine umfassende Prüfungspflicht für Anzeigenaufträge abgelehnt (Beck´scher Online- Kommentar Urheberecht Ahlberg/Götting, 2014, §97 RZ.44).

Die Beklagte ist ein Wochenblatt, welches primär vom Anzeigengeschäft lebt. Neben kurzen Artikeln über lokale Ereignisse, werden hauptsächlich Fremdanzeigen abgedruckt. Bei der Zahl der wöchentlich zu bearbeitenden Anzeigenaufträge und häufig nur kurzfristig eingereichter Anzeigen würde eine gründliche Überprüfung aller Anzeigeninhalte auf Urheberrechte die Einhaltung von Fristen unmöglich machen. Zudem ist bei einem Bild, welches lediglich in üblicher Weise die Mitarbeiter eines kleinen Büros zeigt, nicht zwangsweise zu vermuten, dass es von einem professionellen Fotografen aufgenommen wurde, der hieran Urheberrechte geltend machen könnte.

Der rote Rahmen mit dem Hinweis auf eigene Dienstleistungen der Beklagten stellt lediglich eine benachbarte, klar abgrenzbare Anzeige dar. Für den Leser ist ersichtlich, dass es sich um zwei unterschiedliche Anzeigen handelt, wobei sich nur der untere Teil des roten Rahmens eine Anzeige der Beklagten darstellt, während der obere Teil eindeutig zur Anzeigen des Versicherungsbüros … gehört. Niemand würde vermuten, dass tatsächlich die Beklagte für den Umzug des Versicherungsbüros werben möchte oder ein eigens Interesse daran hat, hierauf aufmerksam zu machen.“

 

2.2. Kein Schadensersatzanspruch

 

„Mangels Passivlegimation in Bezug auf den Unterlassungsanspruch ist die Beklagte auch nicht zum Schadensersatz verpflichtet, da keine Prüfpflicht bestand und mithin auch keine Sorgfaltspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt wurde (vgl Dreier in Dreier/Schulze, Urheberrecht §97 Rn.57 mwN.)“

2.3. Verurteilung des Abmahnenden zum Ersatz der vorgerichtlichen Aufwendungen, da unberechtigte Abmahnung

 

Durch Ergänzungsurteil vom 11.02.2016 verurteilte das Landgericht sodann den Kläger zum Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des abgemahnten Beklagten. Die beklagte Verlag hatte diesbezüglich Widerklage erhoben.

 

In seinem Ergänzungsurteil findet das Landgericht deutliche Worte:

 

In § 97a Abs.4 UrhG * ist jetzt ausdrücklich geregelt, das der Abgemahnte im Falle der unberechtigten Abmahnung einen Erstattungsanspruch für die zur Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen hat. Regelmäßig steht dem zu unrecht Abgemahnten daher ein Anspruch der Kosten für die von ihm mit der Zurückweisung der Abmahnung beauftragten Rechtsanwalts zu.

 Der Kläger hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom … unberechtigt abgemahnt, da die Beklagte nach den Ausführungen im Urteil vom 5.11.2015 für die Veröffentlichung des Fotos nicht haftet.

 Zwar ist es anerkannt, dass trotz unberechtigter Abmahnung der Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen nicht besteht, wenn zum Zeitpunkt der Abmahnung für den Abmahnenden nicht erkennbar war, dass die Abmahnung unberechtigt war.

 Für den Abmahnenden war es nur dann nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war, wenn dies auf einen Umstand zurückgeht, der nicht in der Sphäre zuzurechnen ist und er trotz Anwendung größter Sorgfalt den Grund, der die Abmahnung unberechtigt macht, nicht erkennen konnte. Jede Form der Fährlässigkeit, die kausal dazu beigetragen hat, dass der Abmahnende nicht erkannt hat, dass die Abmahnung unberechtigt war, schließt den Einwand der fehlenden Erkennbarkeit aus. Dabei hat sich der Abmahnende auch das Verschulden seiner Mitarbeiter und Erfüllungsgehilfen zurechnen zu lassen. Zudem trägt der Abmahnende für den Einwand der fehlenden Erkennbarkeit der unberechtigten Abmahnung die volle Beweislast (Wandkte/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht 4. Auflage 2014, § 97 a Rz.40 ff.).“

 

Abmahnende trägt grundsätzlich die seinem Gegner entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, wenn er im Klageverfahren unterliegt

 

„Danach hat der Abmahnende grundsätzlich die vorgerichtlich bei seinem Gegner entstandenen Kosten der Abmahnung zu tragen, wenn er im Klageverfahren unterliegt. Nur in einem von dem Abmahnenden vorzutragenden und unter Beweis zustellenden Ausnahme, fallen diese Kosten nicht an.

Dafür, dass es für den Kläger nicht erkennbar war, dass es sich hier um eine Fremdanzeige handelt, ist nicht hinreichend vorgetragen worden. Hier ist der Kläger schlecht beraten gewesen.

Keineswegs gilt § 97 a Abs. 4 UrhG nicht nur für offensichtlich rechtsmissbräuchliche Abmahnungen, sondern es soll im Urheberrecht den Abmahnenden vor Augen halten, dass er bei Unterliegen im nachfolgenden Klageverfahren Kosten für die vorgerichtliche Abmahnung tragen muss.“

 

3. Dies bestätigte auch das OLG Brandenburg:

 

„Die Verurteilung des Klägers zur Freistellung der Beklagten von den ihr zur Rechtsverteidi­gung gegen die unberechtigte Abmahnung des Klägers entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 805,20 € ist gemäß § 97a Abs. 4 Satz 1 UrhG gerechtfertigt.

Nach § 97a Abs. 4 Satz 1 UrhG kann der Abgemahnte im Falle unberechtigter oder unwirk­samer Abmahnung Ersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen ver­langen, es sei denn, es war für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht er­kennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war. Eine Feststellung, dass der Kläger den Grund, der die Abmahnung unberechtigt gemacht hat, trotz Anwendung der gebotene Sorgfalt nicht erkennen konnte, lässt sich nicht treffen.

Für die Beurteilung kommt es nicht einmal entscheidend darauf an, ob die vom Kläger beanstandete Publikation in dem von der Beklagten herausgegebenen Wochenblatt bereits ihrer Gestaltung nach als Anzeigenveröffentlichung des Versicherungsbüros …zu erkennen war. Der Kläger hätte diesen Umstand vor Absendung der Abmahnung jedenfalls unschwer durch Rückfrage bei Herrn … in dessen Auftrag er das inkriminierte Foto angefertigt hatte und dem er das Foto zur Verfügung gestellt hatte, in Erfahrung bringen können.“

 

 

4. Fazit

Die Entscheidung das Landgerichts Potsdam liegt auf einer Linie mit zahlreichen weiteren instanzgerichtlichen Entscheidungen. Richtigerweise sind Verlage beim Abdruck von Fremdanzeigen nur einer sehr eingeschränkten Prüfungspflicht unterworfen. So haftet das Presseunternehmen für die Veröffentlichungen nur in Fällen grober, unschwer zu erkennender Verstöße.

Zu begrüßen sind auch die deutlichen Worte des Landgerichts zur Erstattungspflicht der Abmahnenden. Dieser sollte sich vor der Aussprache einer Abmahnung bewusst sein, dass er für den Fall das diese unberechtigt ausgesprochen wurde Gefahr läuft, auch die außergerichtlichen Kosten des Gegenanwalts tragen zu müssen.

* §97a Abs.4 UrhG

(4) Soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist, kann der Abgemahnte Ersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, es sei denn, es war für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war. Weiter gehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.

In dem hiesigen Fall war die Abmahnung nach Auffassung des Autors allerdings nicht nur unberechtigt wie sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht zutreffend feststellten, sondern überdies auch unwirksam. Diese entsprach gleich in mehrfacher Hinsicht nicht den nunmehr gesetzlich verankerten Anforderungen. Diese sind ebenfalls in § 97a UrhG nachzulesen.

(2) Die Abmahnung hat in klarer und verständlicher Weise

1. Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt,
2. die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,
3. geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln und
4. wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.

Eine Abmahnung, die nicht Satz 1 entspricht, ist unwirksam.

 

Erfüllt eine Abmahnung die obigen Voraussetzungen nicht, bestehen die Gegenansprüche des Abgemahnten auch dann, wenn die Abmahnung berechtigt sein sollte und tatsächlich eine Urheberrechtsverletzung vorliegt.

 

Zum Autor:

Rechtsanwalt Stephan Suchy

Rechtsanwalt Suchy ist Fachanwalt für Urheberrecht und Medienrecht in Dresden.

 

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